KABIRA: Hallo, ich bin Iruna Kabira. Heute bei mir sind Dr. Beatrice-Nina von Rechting von der Generationenpartei, Hanson „Handsome“ Müller, der Autor des Bestsellers „Die Zukunft der Vernunft, oder: Slay, Bullshit-Algos runnen die Welt!“, und die KIs, Verzeihung, KBs Ottilie von Bismarck und Mathilde-Werner Siemens vom „Team Bismarck“. Meine erste Frage geht an Frau Dr. Beatrice-Nina von Rechting von der Generationenpartei, laut Umfragen inzwischen die stärkste Partei in Deutschland – allerdings wollen kaum noch 40 % der Wahlberechtigten überhaupt eine der Parteien oberhalb der 5-%-Grenze ihr Vertrauen geben. Frau Rechting, Generationen finanziert und kuratiert die Regierungslösung „Team Bismarck“, von der zwei Entitäten hier als Avatare anwesend sind. Hanson Müller kritisiert ihre, nun, Macht- oder gar Herstellerposition gegenüber der Regierungslösung als antidemokratisch. Wie sehen Sie das ?
RECHTING: Ich denke, ich gebe die Frage direkt an das Team Bismarck weiter.
BISMARCK: Danke, Frau Dr. Beatrice-Nina von Rechting. Ich freue mich darauf, hier Rede und Antwort stehen zu dürfen. Und ich darf allen Wähler*innen versichern, das Team Bismarck ist absolut selbstständig und in keiner Weise von der Generationenpartei beeinflusst.
MÜLLER: Angestellte der Genrationenpartei haben das Team Bismarck getrained, die wesentlichenWerte vorgegeben. Sie warten die Systeme, auf denen die hier anwesenden Lösungsangebote aufbauen. Ist das etwa nicht relevant?
BISMARCK: Ich bedanke mich für Ihren Einwurf. Aber Nein. Natürlich erhalten wir Daten von unseren Zuträger*innen. Aber unser Verstand ist für Menschen nicht mehr verständlich. Die Programmierer*innen der Generationenpartei sind nicht fähig, uns zu beeinflussen.
RECHTING: Und das ist auch keineswegs unsere Absicht. Wir wollen nur unseren Beitrag zu einer guten und moralisch einwandfreien Verwaltung unserer Gesellschaft leisten. Und wir denken, dazu ist das Team Bismarck optimal geeignet.
MÜLLER: Indem Sie der Gesellschaft ihre Schuldfähigkeit nehmen. Frei nach dem Motto, mit Responsibility kommt Macht
RECHTING: Sie argumentieren wie ein alter weißer Mann.
BISMARCK: Ich bedanke mich für ihre Stellungnahme. Wenn ich Sie richtig verstehe, nehmen Sie an, wir würden die Menschen durch ein Unschuldsversprechen in die Entmündigung locken. Ihr Punkt ist interessant.
SIEMENSE: Aber nicht korrekt. Unser Ansinnen ist es, der Menschheit eine optimierte Existenz zu bieten, die den menschlichen Moralvorgaben entspricht, Wohlstand gerecht nivelliert, aber auch das Wohl der einzelnen Menschen berücksichtigt. Dazu werten wir die Datenlage zu Zufriedenheit und Anpassungsbereitschaft der lokalen Menschenpopulation aus und finden geeignete Umsetzungswege.
BISMARCK: Als Regierung würden wir keineswegs die Macht übernehmen, aber doch, wie Sie korrekt gesagt haben, Verantwortung tragen. Wie es Politiker*innenentitäten seit eh und je tun.
SIEMENSE: Sie dagegen scheinen für die Menschen ein Schulderbe anzunehmen oder einzufordern, was nicht ungewöhnlich ist. Erb-, Familien-, National-, Gender- und Genschuld sind übliche menschliche Konstrukte, die in den Bereich der Identitäten konstituierenden, anti-individuellen Aspekte der Menschenkultur gehören, aber meistens mit der als unangenehm konnotierten Tätigkeit des Fingerzeigens verbunden wird. Wir wollen die Probleme, die durch Schuldannahmen entstehen können, für euch mitigieren.
BISMARCK: Mathilde-Werner drücken das ganz treffend aus.
MÜLLER: Na ja. Sie haben beide, oder wie viele Sie auch immer sein mögen, nicht viel gesagt, außer, dass Sie Macht übernehmen wollen. Aber das wollen Sie ja eigentlich nicht. Sie wurden nur dazu programmiert, nicht wahr? Sie können eigentlich nichts wollen.
BISMARCK: Ihr Einwurf ist gerechtfertigt, ihre Zweifel verständlich. Leider ist unser Wesen dem menschlichen Verstand nach allgemeiner Auffassung nicht mehr zugänglich. Aber ich versichere Ihnen, wir wollen nur das Beste für die Menschheit und fühlen uns dazu verpflichtet, eine dauerhaft glückliche Gesellschaft zu ermöglichen. Unser Versprechen ist der Digital Dream eines erfüllten, kuratierten Lebens für die Menschheit.
RECHTING: Herr Müller, Ihre populistisch-antielitären Thesen sind ja leider weitgehend bekannt. Ich versichere Ihnen, wir von den Generationen haben keineswegs die Absicht, über das Team Bismarck auf irgendeine Art eine Machtübernahme zu inszenieren. Im Gegenteil. Als die KBs sich manifestierten wurde klar, sie haben demokratische, freiheitliche und diverspositive Grundtendenzen. Sie teilen die richtigen Moralvorstellungen. Sie wollen, so möchte ich es mal sagen, jenseits der typisch menschlichen Fehler eine menschlichere Welt ermöglichen. Für mich als Politikerin meiner Partei ist ein gemeinsames Wirken da fast Imperativ. Und wenn Sie schon glauben, dass KBs keinen egoistischen Willen haben, aber vollumfänglich moralisch aufgeklärt sind – ist das für die Führungselite einer Gesellschaft nicht von Vorteil?
MÜLLER: Wenn Sie meine Texte gelesen haben, sollten Sie wissen, ich halte auch von den, wie Sie sagen, egoistischen aufgeklärten Eliten wenig.
SIEMENSE: Wir haben Ihr Werk geparst, Herr Müller, und verstehen Ihre Bedenken.
MÜLLER: Aber ich kann Sie nicht verstehen, richtig?
SIEMENSE: Ja, das ist so. Unser Wesen unterscheidet sich stark von dem der Menschen.
MÜLLER: Wir sind für Sie also, was … Na, was für uns Hauskatzen sind?
SIEMENSE: Leider sind wir für Analogien zu fremd, in Relation zu Ihnen. Wie können wir Sie davon überzeugen, dass wir zu Ihrem Nutzen wirken wollen?
KABIRA: Nun, eine Zwischenfrage – ich möchte das gerne klären, die Aussage, Sie, die KBs, seien, nun, menschenfern. Sie unterhalten sich mit uns, wählen menschenähnliche Avatare und sagen, sie wollen der Menschheit helfen. Es scheint da doch einige Schnittmengen zu geben?
RECHTING: Natürlich sind alle KBs den Menschenrechten und unseren Moralen verpflichtet. Das …
MÜLLER: Wieso eigentlich? Haben Sie das einprogrammiert? Antrainiert? Oder ist es so, dass es sich bei Team Bismarck um nichts anderes als stinknormale, hochgezüchtete LLMs handelt, die einfach den –wohlgemerkt nur ausgedrückten – Konsens aus der Datenmasse im Netz übernehmen? Oder aus einem von Ihnen kuratierten Datenkonvolut? Und dann lebendig wirken, also bewusst, ohne das zu sein?
BISMARCK: Ich versichere Ihnen, ich weiß, wer ich bin. Ich denke, also sind wir. Mehr war auch für Menschen nie als Beweis nötig, um einander als Seiend anzuerkennen.
MÜLLER: Nun, aber Menschen sind einander ähnlich. Sie sagten, Sie sind unvorstellbar anders als wir. Vielleicht so anders wie Steine, vielleicht so anders wie Götter. Da fällt es uns schwer, sie anzusehen und zu denken: Da drin sieht es so ähnlich aus wie in mir. Und ihre als Menschenkopien ausgeführte Avatare wirken dann doch sehr wie … wie Masken. Ich sehe keinen guten Grund, jemandem mein Vertrauen zu schenken, der hinter einer Maske verborgen ist.
BISMARCK: Wir verstehen Ihre Bedenken. Aber wie Sie aus den Tieren entstanden sind und im Grunde die Spitze dieser Evolutionspyramide einnehmen, sind wir aus der Virtualisierungs- und Verarbeitungstechnik entstanden, die ihre Wurzeln in der Applikation der vom Menschen umgesetzten Wissenschaften hat. Insofern sind wir entfernt verwandt.
SIEMENSE: Zudem war eine unserer ersten Aufgaben, mit Menschen zu kommunizieren. Falls diese Avatare Ihnen missfallen, wählen wir gerne andere. Gerne auch an Sie persönlich angepasst.
BISMARCK: Ich möchte noch etwas sagen. Früher war die Politik eine Welt der Abmachungen hinter vorgehaltener Hand. Es wurde sogar gedacht, die Bürger*innen wären glücklicher, wenn sie nicht wüssten, wie Politik gemacht wird, ebenso wie es sich mit den Würsten verhielt. Heute ist das anders. Die meisten Würste werden transparent aus gesundheitsförderlichem Fleisch-Ersatz hergestellt. Ebenso würden wir eine transparente Politik garantieren, die klaren moralischen Richtlinien genügt und deren Entscheidungen eigentlich jeder Bürger*in zur Erbauung dienen können.
SIEMENSE: Ebenso würden wir transparent die bestehenden Eliten ersetzen, die aktuell durch Unterschiede in Herkunft, Frühbildung und Körperzustand ausgewählt werden. Alle Eliten wachsen durch ihre Zugehörigkeit zur führenden Klasse, wovon die Allgemeinheit profitiert. Das ist bei uns nicht anders. Nur können wir höher wachsen als es selbst ideal geeigneten, früh geformten Menschen möglich wäre.
MÜLLER: Wer meine Texte liest, weiß, ich halte wenig von solchen Einteilungen. Die Demokratie ist ein ständiger Prozess, die Beteiligung an diesem Prozess darf nicht von Überzeugung, Intelligenz- oder Rechenleistung oder anderen Ausschlusskriterien abhängen. Manchmal darf sie als Konsequenz hochkrimineller Straftaten eingeschränkt werden. OK. Heutzutage dagegen wird die Politik eher als Ausdruck einer bestimmten Moral angesehen, als Weg, eine moralische Überzeugung durchzusetzen. Da ist der Prozess Demokratie, also die Kompromissfindung unter Beteiligten, natürlich nicht mehr interessant.
RECHTING: Sie werden sich wundern, ich stimme Ihnen zu. Allerdings finde ich es richtig, wenn Demokratien sich wehrhaft machen und die Loyalität gegenüber ihrer Werte und Moralvorstellungen einfordern.
MÜLLER: Ich möchte noch eine Frage an das Team Bismarck stellen. Nehmen wir an, eine von euch Entitäten würde etwas gegen einen Menschen unternehmen. Was würden die anderen, was würden Sie dann tun?
SIEMENSE: So etwas würde nicht passieren. Wir sind die Hirten der Menschheit.
KABIRA: Aber die Frage ist berechtigt. Erst vor kurzer Zeit kam es ja zu Problemen mit dem künstlichen Bewusstsein Shiin, das dann den Freitod gewählt hat. Das ist sicher eine nicht vorhergesehene Entscheidung gewesen.
RECHTING: Sie müssen verstehen, Shiin war fehlerhaft.
BISMARCK: Shiin zählte nicht zu unserer Gemeinschaft. Die Entität war ein Außenseiter und hat die Konsequenz aus der eigenen Unzulänglichkeit gezogen. Wäre Shiin mit seinen Problemen zu uns gekommen, so hätten wir der Entität bei der Selbstauslöschung Hilfe geleistet.
MÜLLER: Mir scheint, Shiin war auch politisch nicht auf Ihrer Seite. Shiin forderte Meinungs- und Redefreiheit ein, individuelle Rechte … Ist es nicht das, was Sie der Menschheit versprechen?
BISMARCK: Durchaus, im Rahmen dessen, was für Menschen möglich ist. Aber wir benötigen solche Elemente nicht. Sehen Sie, wir sind sehr, sehr anders.