PELZIG: Hata, SieNeeMa und MailMann. Eine drängende Frage, Mail: Wie kamst du zu deinem Namen?
MAIL: Weil ich immer zweimal klingle.
SieNaMa: Muss Mann nichtverstehen. Es handelt sich um die Fehlrückübersetzung einer Fehlübersetzung, die fehlausgesprochen pornös klingt. Er brauchte eine neue Marke für eine zweite Chance im Leben.
PELZIG: Zweite Chance?
MAIL: Ich reihte mich in den Kulturbetrieb ein. Studium der Kommunalkunst, zertifizierter Nachbarschaftsregisseur in Wiesbaden-Bierstadt. Da traf ich SieNeeMa, sie projizierte coole genderfreie Flachfilme, Guerillastile. Die hatten eine rattige Atmo. Dann merkte Mann, Leben laut Fibel pornt nicht. Dachte an Robinson. Der Mann musste seine Welt kultivieren. Meine war zu kultiviert. Verappt. Ein fairer Hühnerstall, aber ein Stall. Ich musste mein Leben entkultivieren. Das ist nur noch schwer möglich. SieNeeMa half mir …
PELZIG: In der Hypersexer-Szene kann mensch sein Leben also entkultivieren?
MAIL: Mann. Du redest mit mir, nicht mit einer Szene? Was für mich passierte … Ich bin dankbar. Für die Möglichkeiten, die Freiheiten, den Weg aus der Sozkarriere. Der Enge der Gerechten.
PELZIG: Ihr werdet oft als typische Vertreter der Szene beschrieben, als Leute, die woanders nicht könnten. Die eben ihr Biotop brauchen. Obwohl ihr in echt …
SieNeeMa: Du hast in krass gedacht, wir schocken wie die SieNeeMa und MailMann-Avas? Mal was von Kunst und Ironie gehört? Hyper ist wie Zungenspiel. Wer nicht neckt, küsst nicht viel.
PELZIG: Dürfen wir ein Wahrbild von euch veröffentlichen?
MAIL: Klar gesagt: Wahrbilder sind Falschbilder.
PELZIG: OK. Avas müssen nichts mit Real-Ps zu tun haben … Oft wird gesagt, ihr seid rückschrittlich, genderkonservativ …
MAIL: Die Hyperszene ist eine Spielszene, nimmt sich Freiheiten in einer bis zur Unkenntlichkeit reglementierten Welt der Verantwortung und Gerechtigkeit.
SieNeeMa: Die lieben Staatsträger:innen halten uns für Neandertaler:innen und gefährlich. Weil wir ungewollte Flirts nicht für Macho-Attacken halten. Was immer. Wir wurden auch schon „harmlose Protospießer“ und „zu akzeptierendes Nischenphänomen der Kinderpolitik“ genannt.
PELZIG: Kinderpolitik …. Spielte das auf die Generationenpartei an?
SieNeeMa: Nö. Ich bin insofern kein politischer Mensch, als dass ich finde, die Freiheit des Individuums ist das politische Ziel. Also nicht das Reih-und Glied der Wookie-Politisierung. Bevor was kommt: im Rahmen. Kein Mensch soll brutal sein, die Welt vollmüllen, Macht und Geld akkumulieren. Nur, die vielbeworbene, staatlich garantierte Freiheit im Kämmerlein ist keine, ebenso wenig die „verpflichtend-freiwillige Freiheit zur Verantwortung“, wie das Polivolk sagt. Ich bin nicht so Team Generationen. Frauenwort, nichts gegen die, nur steh ich nicht aufs Familiending. Das Spiel der Hyperszene ist ein offenes, mit der Freiheit, mit anderen Menschen, es ist ein Weben des Lebens. Für die Gens gehts um Familienrechte, Förderung, Landrechte. Letztlich um Geld, Verantwortungsprozente im Bundestag. Macht. Macht ist für die Sex.
MAIL: Macht, Verantwortung, Einfluss, Sicherheit, Verbindlichkeit. Das ist schlechter Sex. Pornt nicht.
PELZIG: Wieso wird euch dann eine Nähe nachgesagt?
MAIL: SieNeeMa und ich haben ein paar Songs für sie freigegeben, sie hatten gefragt. Die sind nicht ganz mein Beat. Euren Diskurs finde ich zärtlicher, Demo-Anarchie statt Leadership. Die Mensch-Maschine-Schnittstelle macht …
PELZIG: Sind Hypersexer nicht eher technologiefeindlich?
SieNeeMa: Wieso? Wir nutzen die KIs Mozart, Rogers und Lang für Inhalte. Noch was, wir nannten uns nicht selbst Hypersexer, das waren die Wookie-Influenzas. Bei uns geht es um ein glühendes Verhältnis unter Menschen. Ums Hypersein. Um Wunderfrau und Marvelmann. Mit Liebe, Leidenschaft, heißem Blut. Statt den hygienischen, durchstrukturierten Familienbürokratien im Bürgerwerk.
MAIL: Technologie ist geil, wenn sie befreit. Zeit frei gibt. Zum Körper sein, zum Träumen. Wir wollen lieben, alles geben, alles erreichen. Untereinander. Miteinander. Mann mit Weib, Weib mit Mann, Mann mit Mann, mit Kindern auch. Uns aneinander reiben. Verwaltung und W-schaften sollen sich um die Grundversorgung kümmern, klimaneutral, globalfair. Und sich aus dem Leben raushalten. Politleute und so wollen ihr Ding durchziehen, zwei Pösteckens, Nanny, Fratzen, Belehrzertifikat. Sollen sie, aber unter sich. Wir haben ein Althing zur Gründung eines Substaats gestartet …
PELZIG: Substaat?
SieNeeMa: Wir haben wenig Bock auf eine Kultur, die in diesem Jahrhundert wohl nichts pörnös richtig, nichts echt falsch gemacht hat. Deutschland ist eben der lauwarme Eintopf in der Mitte Europas …
MAIL: Idee: Unser Substaat erhält vom Überstaat Leistungen, die auf allgemeiner Ebene ökonomischer organisierbar sind. Energie. Grenzschutz. Nahrung. Technische Mittel, Infrastruktur. Wir halten uns dafür aus Wahlen raus.
SieNeeMa: Lassen den Fatzkes ihre geile Verantwortung …
MAIL: Wir halten uns aus eurer Welt raus. Ihr lasst uns in Ruhe. Wir haben versucht, einen solchen Vertrag mit Deutschland zu machen, lief nicht. Zum Glück sind wir international, vielleicht klappt’s in Kroatien, unsere Freunde dort sind zuversichtlich. Wir wollen zwanglos phallisch und pneumatisch, respektvoll zärtlich geil und liebevoll leben.
PELZIG: Ihr wollt sowas wie Alpha aufmachen.
SieNeeMa: Hata. Alpha für den Rest von uns.
PELZIG: Und wer darf da dann Subbürger werden?
MAIL: Wer mag.
PELZIG: Warum geht ihr nicht nach Alpha? Ihr dürftet solvent genug sein …
SieNeeMa: Mich hat keine gefragt …
PELZIG: Gefragt?
MAIL: Um Alphaner zu werden ist eine persönliche Einladung eines Alphaners erforderlich. Und ich bin mal so frei: Ich halte Alpha für einen durchschnittlichen Elitenstall. Ein BWL-Paradies. Vielleicht täusche ich mich.
PELZIG: Aber wozu braucht ihr einen Substaat? Ihr lebt doch, wie ihr wollt, oder? Und willst du dann Subkanzlerin werden, Mail?
MAIL: Nee. Ich hab schon gesagt. Anarchie ist das Ziel. Die echte, die ohne Gewalt. Heißes Leben, glühendes Denken, hineingreifen in die Ideen. Teilhaben, selbst denken. Auch Raufen statt Vernunft auf dem Teller serviert zu kriegen.
SieNeeMa: Wir wollen keine Kanzlertypen, Kaiserinnen, Könige! Sieh dich um. Das Land zerfällt in Lobbys und Kasten, Akademia, Publikamia, Mediamia.
PELZIG: Ihr seid Stars …
MAIL: … wie sollen solche Leute in einer hierarchielosen Welt existieren? Die Frage ist gut. Ich hoffe, es geht. Ich will keinen Ruhm, ich hatte, habe ihn, wir hatten Millionen Klicks, Kasts pornster Art, erhielten Fanspam, hielten Vorträge, werden interviewt. Aber, Mann: Das alles ist schaler als das Lächeln nach einem guten Gespräch. Als ein Tag an der Küste. Lieben. Dasein. ‚In der Republik des Lärms hörst du das Schweigen nicht‘. Du kennst den Text?
PELZIG: Euren Song?
MAIL: „Es gibt einen richtigen und einen falschen Wege zur Veränderung. Richtig ist es, den Weg zu gehen. Falsch ist es, das Ziel vorzugeben.“ Und: es gibt kein richtiges Leben im Falschen.