Die gerechte Sprache. Warum nochmal dazu texten? Hat sich doch alles eingerenkt, innerhalb von Dland gibt es keine kulturell-sprachliche Ungerechtigkeit mehr, alles Schau wie Sau, ham wir nix Besseres zu tun?
Es gibt Gründe. Wir bei DIDIMOS konnten uns auf keine Sprachvariante einigen. „Wir“ sind zu divers, sind megabesser als die Staubgenerationen bis zu aktuellen Ü-30ern. Echt? Quatsch.
Sprecherinnen, Sprecherex, Sprechs, Sprecher und auch Sprecher:innen nutzen alle ihre eigenen Strategien, leben in eigenen Sprachwelten. OK so? OK so, sagen wir, und klar: Wir schreiben keine Lösung vor, ist unser Ergebnis. Wir wollen trotzdem diskutieren. Warum? Wegen der vielen Sprachinseln, oft mit Ideowelten identisch. Weil wir reden wollen, nicht nur in unserer Sprach- oder Genderblase. Weil wir nicht an die „intelligente Klassengesellschaft“ glauben. Wegen der, wie einer sagte, „beschissenen identitären Zersplitterung einer kraftlos gewordenen Sprache“. Es wurde gemeint, DIDIMOS sollten nur auf Englisch, Ungarisch, Türkisch oder einer anderen genderunverdächtigen Sprache kommunizieren, weil, sprachlich ist unsere Kultur eh nicht mehr verankert, nur noch im lokalen Sicherungs- und Demokratieangebot. Echt? Und warum dann nicht wirklich Fairteutsch, denn „jede gewachsene Sprache, mag sie auch gendergerecht transformiert worden sein, ist und bleibt eine Sprache der Gewinner und Unterdrücker“ , so die Historikerin Greta Mejoron.
Wir wollen mitkriegen, was du so denkst. Wie immer: Ehrliche Frage, ohne Urteil, egal, ob du aufgeklärte Diktatorin, scheues Neusprech oder einer der Leute bist, die frische Labels und abweichende Meinungen als „untragbar“ kennzeichnen. Menschen sind Inseln der Überraschung.
Zum Einstieg ein wenig Geschichte:
Hintergrund für den Gebrauch des generischen Femininums, der in der Alltagssprache dominanten Variante, ist das Bestreben in den 20er Jahren, alle sozialen Geschlechter anzusprechen und „sichtbar zu machen“. Dazu wurde die für die Beamtensprache typische „Sternchenform“ entwickelt, um vom Gesetz definierte soziale Geschlechter anzusprechen (divers, weiblich, männlich). Nur, der „Sternchenhicks“ hat sich nie richtig durchgesetzt. Ist OK, denken wir. Aber: In der Antwort auf eine entsprechende Anfrage der RAD (Reaktionäre Alternative für Deutschland) befand eine Regierungskommission 2043: „das sogenannte generische Femininum in der Allgemeinsprache ist tatsächlich gendergerecht und daher anzuwenden, da die Lücke zwischen Grundform und weiblicher Endung von unseren Bürger*innen mitgedacht wird“ . Echt?
Im Zusammenhang mit der Änderung der Altsprache veröffentlichte das Europäische Parlament 2008: „Geschlechtergerechter Sprachgebrauch besteht darin, dass eine Wortwahl vermieden wird, die als einseitig, diskriminierend oder herabsetzend ausgelegt werden kann, weil sie die Überlegenheit eines Geschlechts gegenüber dem anderen impliziert, da das Geschlecht einer Person in den meisten Zusammenhängen nicht relevant ist oder es nicht sein sollte“ .
Der Text (den wir wegen des „werden kann“ als schwierig ansehen) wird von Verfechtern des Entgenderns als Argument gegen die Behördensprache genutzt: „wo das Geschlecht nicht relevant ist, sollte es nicht erwähnt werden, auch nicht als Aufzählung; andernfalls wird eben doch ein Unterschied zwischen den erwähnten Geschlechtern gemacht, wenn auch nur, weil unterschiedliche Identitäten benannt und damit propagiert werden. Daher fordern wir ein absolutes Generikum“ , hieß es in der Streitschrift Allgemeine und spezielle Gerechtigkeit (2029) des UB (Utopischen Bundes), der „das identitäre Diversi*kum als Erbe des allgemeinen Maskulinum“ abschaffen will. Die Schriftstellerin Nele Pollatschek brachte es 2020 auf einen einfachen Punkt: „Gendern ist eine sexistische Praxis, deren Ziel es ist, Sexismus zu bekämpfen.“
Der „Sprachspiratz“ Istvan Tabomajer verteidigte 2033 in einer seiner frühen „Strömerums“ das seit den 20ern allgemein geschmähte allgemeine Maskulinum: „Was Sprachverstruller*- und Rechtherflüster*innen bei ihrem sanften Hass auf das nicht-nur-maskuline Maskulinum übersehen: das war gar kein fieser Teil einer imperialen Grammatik der Machoweisen von Weimar, sondern der sich schämende männliche Plural, der im teutschen Blubberversum um 1919 herum der zaghaften Idee, Uranier, Blümchenwesen, misratene Zombanten, Elfenboys, eben alle alles sein können, höflich und mit bester Kinderstube Raum in Kopf und Satz einräumte.“
Als Tabomajor seinen Text Ende der 20er verfasste nahmen viele an, es würde sich bald eine geeignetere Alltagssprache entwickeln. Stattdessen etablierten sich identitäre Gender- und Sprachpraktiken in verschiedenen gesellschaftlichen Strata. „Die Annahme, dass es noch kulturelle Entwicklungen von unten geben könnte, also aus dem weder akademischen noch politischen Bereich heraus, dürfen wir getrost begraben; wir müssen die Vorgaben verstärken“, sagte die Kulturhistorikerin Gabriella Body in einem Politvid.
Im Essay „Identität und Selbstgerechtigkeit“ wies das Kollektiv Zukunft darauf hin, dass der grob um 2015 begonnene Trend, die vorherige deutsche Kultur pauschal als sexistisch und grundsätzlich falsch anzusehen „eventuell auf einer Verwechslung basierte, deren Grundlage eine überlegene Geisteshaltung ist, die der Haltung überzeugter Kolonialisten entspricht: Wir müssen diese Primitiven ändern, weil wir bessere Menschen sind“ . Weiter sei „die im deutschen Sprachraum angenommene Veränderung im Denken der Uneinsichtigen oder Andersdenkenden durch eine Vorgabe der Sprache eigentlich eine kulturkoloniale Tat“ . Diese krasse Verurteilung der 20er wird nicht von allen geteilt, ist aber typisch für den kritischen Blick seit etwa 2040.
Noch kurz zur Timeline: Im deutschen Sprachraum war ab Anfang der 80er die Doppelnennung oder eine „Binnen-i“ genannte, zusammengeführte Version verbreitet. Ab Anfang der 90er ist eine frühe Entgender-Form bekannt, das „Entgendern nach Phattenberg“. Der Aktionskünstler nutzte für allgemeine Pluralform immer den neutralen Artikel plus ein End-y, also „das Ärzty“ usw. Die Form wurde als praktisch, aber verniedlichend abgetan, hat sich aber gerade unter Künstlern gehalten. Etwa ab 2020 setze sich dann das Standard-Gendering in den Behörden und Institutionen durch, das allgemeine Femininum in der Alltagssprache folgte.
„Jede Äußerung ist eine Positionierung und hat daher unbedingt juristische, berufliche und ideologische Konsequenzen. Deswegen darf keinem mehr der Schnabel wachsen; er muss für den angestrebten Lebenslauf geformt werden“ , so der Werbetext der umstrittenen Sprachschule „Sprechen für Erfolg und Karriere“.
Und jetzt seid ihr dran …