Das Immo-Angebot Meta Pachamama steuert wenige Monate nach dem Rollout weltweit auf 100 Millionen Abonnenten zu, in Europa hat sich die Abozahl nach Xmas verdoppelt. Hat der brutale Ansturm der Naturgewalten zum Jahreswechsel etwas damit zu tun? Möglich. Für alle, die noch nichts davon gehört haben, es handelt sich um eine Multiplayerinnen-Immowelt, die weder Krieg noch das Erschaffen krasser Kunst- und Kulturwerke, noch Sex feiert. Nein. Es geht um inneren Frieden, die Soul-Welt-Balance, darum, die eigene und die universelle Mitte zu finden.
„Entdecke mit uns unberührte Landschaften. Entdecke die Natur. Endecke dich und werde Teil von Pachamama. Jetzt mit neuer Meta-Abostufe für unbegrenzten Buzz!“, heißt es in der Info. Hört sich rad an? Ich sage Ja, aber die Frage bleibt, was finden 100 Millionen Menschen an unberührten virtuellen Landschaften so meta, dass sie ein nicht niedrigpreisiges Abo abschließen? Sehen wir, was die Einführe zu Pachamama uns so sagt:
„Warum setzt du dich nicht unter einen Baum und betrachtest die Kreation? Sei Platon, sei Buddha, sei du. Frage dich, was du willst, heute, jetzt, immer. Vielleicht willst du einfach nur hier sein. Hier oder an einem anderen der Millionen Orte der Schönheit, die Pachamama bereithält. Sieh einfach, dass es gut ist. Wer will, kann und soll natürlich mit Mama interagieren. Lege ein Blumenbeet an, säe Rosen, dünge sie. Sie werden es dir durch schönste Pracht danken. Oder lege Nistorte für allerlei Tiere an, für Hühner, Kühe, Hunde, Löwen. Auch sie werden es dir danken. Mit Milch, mit Käse, mit Liebe, mit Zärtlichkeit. Und je mehr du für Pachamama tust, desto mehr wird deine Avatarin strahlen. Von innen. Denn Gutsein wird belohnt – und nicht nur mit Schönheit! Es stehen Infos und Weisheiten bereit, die du nutzen kannst, wenn du entscheidest, mit den Peepla (den Bewohnerinnen Meta-Pachamamas) zu reden, zu arbeiten, zu feiern. Wenn es gerade nichts zu reparieren, pflegen oder einzurichten gibt, setzt ihr euch einfach an den Fluss und dreht den Buzz auf …“
Soweit die Info. Schnell finden sich auch Bewertungen von Nutzerinnen, z. B. von ralph7878_JA:
„Ich liebe Pacha! Es ist voll mehr als eine Normaloimmo, on one hand basierts auf Mythen der Anden und feiert so indigene Völker. Fair. Denn Mama Pacha ist weibliche Gottheit, Equalness und mehr – und einfach die beste Natur ever! Die Hoodeinstellung ist super, weil, wie wir Pachas sagen, ‚Respekt ist Distanz‘. Kommt zum Pachapool!“.
Nun. Ich folgte der Einladung, setzte das Interface auf und stieg ein, wobei ich als Hood für mein Environment „Nur Ich“ und „Zufallspacha“ wählte. Es ging los. Der Interface-Schleier verflog. Schon der erste Eindruck war super. Volles 3-D-Gefühl, Radikalreal, besser als am Doggerstrand. Ich ging eine Küste lang, die ich so vielleicht in India vermuten würde. Ich zog Schuhe und Socken aus, fühlte den Sand zwischen den Zehen. Bleiche Krabben huschten durch den Sand. Es war ein wenig scary, aber auch total friedlich. Schmetterlinge flogen um mich. Sehr cool. Ich spazierte weiter, genoss die Sonne, bemerkte Boote an einem Kai, nahm eins, ruderte das Ufer entlang. Frieden, volle Immersion, kein Hauch von draußen.
Wieder an Land wollte ich die Hoodeinstellung „Filterlos“ testen. Überraschenderweise passierte erst mal nichts. Ich ging zum Waldesrand. Fern hörte ich Stimmen, ging einen Weg entlang. Um die nächste Ecke erwarteten mich hübsche Häuser, Tempel, Galerien, Peepla in Gruppen. Ich verstand, was die Einleite mit dem Verweis auf „strahlende Avatarinnen“ meinte. Einige der Peepla wirkten schlicht, formlos fast, andere ähnelten Ikonen. Ich fand einen Spiegel, sah hinein. Ich hatte keine Gesichtszüge – wohl ein Feature, das ich erarbeiten oder erwerben musste. Ich brauchte wohl mehr Education, also klinkte ich mich in eine Gruppe ein. Sie erläuterten, freundlich lächelnd, dass die eigene Erscheinung durch konstruktives Mitgestalten der Pachamama-Welt optimized wurde (oder durch eine Zahlung). Peepla können nicht nur Realwährung mitbringen, sondern auch In-Game Kryptos verdienen – z. B. als Artproviderinnen oder Edu-Peers in einer der vielen Matrasas, den Universitäten der Umwelt. Interessant. Ich ließ mir den Weg zur nächsten Matrasa weisen. Der Eintritt kostete ein Token. Der Innenbereich war artsy gestaltet – ein offener Raum, bright, mit schwebenden Skulpturen und flowing Fresken an den Wänden. In der Mitte erzog ein Influ Peepla bezüglich der „Pachamama“, sie sei „das Mutterprinzip des Lebens, die Uridentität, die es uns erlaubt, auf dem Way of Life unser bestes Ich zu sein, disruptiv, fair, naturnah, awoke“. Ich hörte eine Weile zu.
Später, in der offenen Immo, setzte ich mich unter einen Baum an einem Fluss. Unweit tollten ein Hase und ein Fuchs über ein Feld. Jemand winkte mir zu, ich winkte zurück. Akapacha, meine Zufallsbekanntschaft, fragte, ob ich gerade im Buzz sei. Wieder etwas, das ich nicht ganz kapiert hatte. Sie explained, der Buzz sei eine Sonderfunktion (mit kostenloser Probeoffer namens „Free Jam“). OK. Ich begann den Jam, der Buzz ging los. Das Ergebnis war überraschend schwer zu beschreiben. Da war ein sanfter Pull. Das 3D-Erlebnis wurde intensiver, es verschmolz die Welt um mich mit mir. Ich atmete ein, und die Welt atmete mit mir ein. Mein Herz schlug, und es schlug für alle. Ich streckte meine Hand aus, und die Luft berührte mich, soft. Ich lächelte Akapacha an, und ihr Lächeln war eine Reflexion nicht nur meines Lächelns, sondern all der Schönheit, die uns umgab. Des großen, guten Echos um uns. Sie nahm meine Hand, wie noch never ever meine Hand genommen wurde, zog mich mit sich. Jeder Schritt ging in die richtige, die schöne Richtung. Beauty überall. Obwohl ich mich zu erinnern scheine, irgendwo war da auch eine Stimme, die sagte:
„Je tiefer der Spiegel, desto mehr verlierst du dich“;
ich lächelte sie weg. Wir erreichten den Pachapool, eine summende, wundervolle, goldene Wasserfläche, von der hell schillernden Rainbow Bridge überspannt.
„Noch kannst du nicht alleine herfinden, du kannst nur mir folgen“, sagte sie, „aber wait and see. Dies ist das Herz des Pachaverse. Wollen wir uns setzen?“
Natürlich wollte ich. Der Sonnenuntergang war wunderschön, war tief, im Pachapool spiegelte sich der Mond, und ich bemerkte überrascht, der Mond hatte mein Gesicht – vielleicht zwinkerte mir hier der Algorithmus zu? Akapacha lachte herzlich über meine Beobachtung. Alles war richtig. Nach einer Weile endete meine Zeit. Akapacha verabschiedete sich herzlich, dann sog mich der Schleier ein und ich war zurück in meinem Realo-Zimmer.
Der Buzz war in der Reality leider schnell verflogen. Sollte ich zurück? Nein, ich hatte einen Artikel zu verfassen. Den ihr gerade gelesen habt. Zum Schluss möchte ich ein paar der Herstellerinfos zitieren. Laut Angaben wurde Meta-Pachmama von der Generationenpartei, den FFFs, der Europäischen Kommission, den Regierungen von China und Indien, der afrikanischen Föderation usw. empfohlen und gefördert. OK. Ein guter Dienst von oben also, gemeinnützig! Selbst der Vatikan empfiehlt Pacha als ökumenisches Pilgerziel. Gefördert wird es entsprechend durch die Vereinigung der Religiösen, die schreibt:
„Judentum, Islam, Christentum teilen viele Elemente mit dem uralten Mythos der Pachamama, der, modernisiert und divers-inklusiv ausgebaut, sich nun als Meta-Schirm für uns alle anbietet und uns in der Interaktion zeigt, wie die Schöpfung, die Natur wirklich ist. Gut. So wie unsere Natur es ist. Seit freigiebig beim Pago, denn unsere Natur, die Mutter und Gut ist, will es so“.
Es gab auch einige kritische Stimmen, aber das schien mir alles Blablabla; so soll Pachamama „die Vereinsamung digitalnaiver Faultiere fördern“. Quatsch, sage ich. Aus einem bestimmten Grund ermöglicht Meta-Pacha doch einfach ein friedliches Nebeneinander, ein MultiKulti, in dem die Politik den Engineers überlassen wird, denen mit dem Talent dafür. Ist das so schlecht? Also, ich denke über ein Abo nach, man gönnt sich ja sonst nichts, und die Natur verdient ein wenig Verdienst.